Mittwoch, 5. Oktober 2011

PKW vs. Flugzeug

Abgesehen davon, dass ich leidenschaftlich gern "selbstfahrend" unterwegs bin, bin ich auch aus Überzeugung ein Gegner von innereuropäischen Flügen.
Diese Meinung binde ich gern mal jemandem ans Bein, was mich aber immer mal wieder an mir selbst ärgert, denn ich will niemandem vorschreiben was er zu tun oder zu lassen hat. Und ich will auch niemandem ein schlechtes Gewissen einreden.  Im Gegenteil, es stört mich, wenn beispielsweise militante überzeugte Vegetarier oder Personen, die bewusst auf PKWs verzichten, mich "bekehren" wollen.
Bisher habe ich oft genug als Argument für den PKW auf innereuropäischen Langstrecken gegenüber innereuropäischen Flügen die ökologischen Auswirkungen angeführt. Die Bahn lasse ich hier bewusst außen vor, diese dürfte zwar eine akzeptable Ökobilanz aufweisen, jedoch hat mich die Deutsche Bahn nachhaltig durch ein schlechtes Preisleistungsverhältnis und chaotische Organisation abgeschreckt.
Was mir in meiner Argumentation bisher jedoch fehlte waren einigermaßen konkrete Zahlen, sodass ich nie über das kundgeben meiner Meinung hinausgekommen bin, wodurch meine Argumentation eigentlich immer wertlos war.

Daher habe ich mich mal (zugegebenermaßen oberflächlich) auf die "Suche nach Zahlen" begeben.
Das man den Lobbyisten des jeweiligen Verkehrmitteln nicht auf Anhieb glauben schenken darf ist mir klar, andererseits ist es mir nicht unbeschränkt möglich von eigenen Erfahrungen auszugehen. Daher stütze ich mich beim Thema PKW auf mein Fahrzeug, beim Thema Flugzeug auf diesen Artikel bei Spiegel Online.



Fangen wir beim Kraftstoffverbrauch an:
Im verlinkten Artikel wird ein Verbrauch von 4,4 Litern Kerosin pro Passagier bei ausgelasteter Maschine vom damaligen Vorstandvorsitzenden der Lufthansa AG genannt und (einigermaßen) belegt. Mein PKW verbraucht auf 100 km 7,3 Liter Diesel (siehe Spritmonitor). Üblicherweise sitze ich da nicht allein drin. Handelt es sich um einen Urlaub sind Freunde an Bord, sind keine Mitfahrer aus dem Bekanntenkreis verfügbar, biete ich meine Fahrten bei mitfahrgelegenheit.de an. Ich würde mich belügen, wenn ich mein Auto generell als vollbesetzt rechnen würde, daher gehe ich jetzt von mir als Fahrer und einem Mitfahrer aus. Als Pro-Kopf-Verbrauch ergeben sich also 3,65l/100km.
Das sieht schonmal ganz gut aus, hat jedoch einige Haken:
Das Flugzeug fliegt (logisch) "Luftlinie", mit dem Auto versuche ich das lieber nicht. Im Spiegel Online Artikel wird daher beispielhaft die Strecke Hamburg-München angeführt: "600km Luftlinie, 780 Bahn- und Autobahnkilometer".
Für den Flugzeugpassagier ergeben sich damit 26,4 Liter Kerosin für diese Strecke, für mich und meinen "Quotenbeifahrer" jeweils 28,5 Liter Diesel (oder 57 Liter für mich allein, allerdings wird bei den Werten fürs Flugzeug auch von guter Auslastung ausgegangen) für die Strecke Hamburg-München.

1:0 fürs Flugzeug? Mh, nö! Zumindest nicht eindeutig.

1. "Luftlinie":
Ich fahre mit dem Auto auch problemlos von Scheeßel nach Tuntenhausen (ebenfalls 780km). Der Scheeßeler Flugzeugpassagier wird den Scheeßel International Airport wohl vergeblich suchen und große Schwierigkeiten haben, einen Flug nach Tuntenhausen zu bekommen. Eine kleine googlemaps-Recherche sagt mir hier, dass die Wege zum Flughafen hin und vom Flughafen ans Ziel ca. 120km ausmachen. Man kann an dieser Stelle vieles groß- und kleinrechnen, das führt mir jedoch zu weit, allerdings darf man definitiv den "Vor- und Nachlauf" im Flugverkehr nicht vergessen.

2. "Äpfel und Birnen"
Selbst dem unaufmerksamen Leser dürfte aufgefallen sein, dass ich verbrauchtes Kerosin mit verbrauchtem Diesel vergleiche. Also Äpfel mit Birnen. Was lässt sich schön vergleichen? Der Energieinhalt. Man kann dabei in die Untiefen der Verbrennungstechnik und der Thermodynamik vordringen. Hier soll jedoch der Heizwert genügen. Bei wikipedia werden folgende Werte angegeben:
"34,1 - 34,8 MJ/l" für Kerosin (Mittelwert ca. 34,5 MJ/l)  und "35 MJ/l" für Diesel. Der Unterschied ist also recht klein, beachten kann man ihn ja trotzdem.
Der Hamburg-München-Flugpassagier benötigt also Kraftstoff mit einem "Energieinhalt" von 911 MJ, ich und mein "Quotenbeifahrer" benötigen jeweils Kraftstoff mit einem "Energiegehalt" von  998 MJ.
Gut, dass sieht immer auch gut aus fürs Flugzeug, ist mein Auto mit vier Leuten besetzt erhalte ich aber plötzlich nur noch rund 500 MJ pro PKW-Insasse. Eine derartige Auslastung wäre zwar wünschenswert, schaffe ich aber nicht generell.



3. Abgase
Die Betrachtung der Abgase darf an dieser Stelle definitiv nicht fehlen. Laut wikipedia betragen die Kohlendioxidemissionen bei der Verbrennung von Kerosin 2,76 kg/l, bei der Verbrennung von Diesel 2,65 kg/l, der Unterschied ist also wieder recht gering.
ABER:
"Wie stark die vom Kohlendioxid unabhängigen Klimaeffekte des Fliegens sind, ist noch Gegenstand der Forschung. Sicher scheint aber: Sie sind beachtlich. Laut IPCC-Schätzungen muss der reine CO2-Ausstoß der Flieger mit einem Wert zwischen 1,9 und 4,7 multipliziert werden, um ein realistisches Bild der Klimabelastung zu bekommen. Der Umwelt-Dienstleister Atmosfair hat in seinem CO2-Rechner einen mittleren Wert von 2,7 eingebaut, wie ein Sprecher SPIEGEL ONLINE mitteilte. Umweltbundesamt-Präsident Andreas Troge geht von einem ähnlichen Wert aus: 'Die Klimawirkung des Flugverkehrs ist mindestens dreimal stärker als die vergleichbare Emission am Boden'" (Zitat: Spiegel Online, http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,518545,00.html)
Schaut man sich diese Annahme an und vergleicht mit "meinen" Verbrauchszahlen, stellt man fest, dass meine Bilanz selbst als Alleinfahrer nicht wesentlich schlechter, wenn nicht sogar besser als die des Flugzeugpassagiers ist.

4. Infrastruktur
Bezieht man die notwendige Infrastruktur mit ein (Flughäfen, Autobahnen) sowie die Herstellung der Transportmittel mit ein, wird die ganze Rechnung schnell beliebig komplex. Das geht mir an dieser Stelle zu weit, denn Flughäfen und Flugzeuge gibt es, ein Auto habe ich bereits, Schienen und Züge sind vorhanden, sodass ich mich als einfacher Nutzer nur entscheiden muss. Müsste ich eine Art Verkehrskonzept entwickeln, wäre die Infrastruktur freilich mit einzubeziehen.

Abschließend halte ich jetzt einfach mal fest, dass meines Erachstens (wie gesagt, diese Überlegungen stelle ich v.a. auch für mich selber an, ich will niemanden "bekehren") im Hinblick auf die ökologischen Auswirkungen die Bilanz eines PKWs gegenüber dem Flugzeug nicht schlecht aussieht. Je nachdem wie man verschiedene Parameter dreht und wendet, kann man das Ergebnis auf die eine oder andere Seite verschieben, die Frage ist nur, was wohl realistisch ist.
Ein nicht unwichtiger Punkt ist die Zeitersparnis beim Fliegen. "Zeit ist Geld" hört man immer mal wieder. Nach meiner Beobachtung ist die Zeit, die man bei einem innereuropäischen Flug im Flugzeug verbringt im Verhältnis zu Vor- und Nachlauf, einchecken, auschecken, etc. recht kurz, von einem innerdeutschen Flug gar nicht zu reden. Dies relativiert die kurzen Flugzeiten ein wenig. Allerdings lässt sich nicht bestreiten, dass man per Flugzeug in unheimlich kurzer Zeit weite Strecken zurücklegen kann. Mich fasziniert diese Aussicht wenig, der Weg gehört für mich zur Reise dazu. Und da wende ich eben gern die hohe Fahrtzeit auf, weil es mir gefällt. Schlicht und einfach.
Ich habe hier (auch für mich selbst) belegt, dass die Entscheidung "PKW vs. Flugzeug" zum größten Teil eine Entscheidung über vielfältige Vor- und Nachteile und die eigenen Ansprüche ist, da die Ökobilanz des Fliegens offenbar je nach Auslastung der Verkehrsmittel nicht eindeutig als besser oder schlechter gegenüber dem PKW dargestellt werden kann. Somit spielen eher die Faktoren Zeit, Lust am Fliegen oder Fahren und Praktikabilität eine Rolle.
Einen Gedanken darf man aber auch nicht vergessen: Wir machen, was wir können. Wenn wir in kaum zwei Stunden tausend Kilometer zurücklegen können (und das bei vergleichsweise billigen Flugticketpreisen), dann tun wir das auch. Dann fliegt eben mein Mitbewohner zum Kiefernorthopäde nach Hause (Mallorca), dann können wir eben einen Kurzurlaub über ein verlängertes Wochenende in Paris, London, oder sonstwo machen. Aber das ist einfach menschlich und ich will und werde das niemandem vorwerfen.

So, und jetzt dürft ihr auf mich einschlagen, mir auf die Schulter klopfen, Fehler korrigieren, eure Meinung kundtun, ganz wie euch beliebt ;-)


6 Kommentare:

  1. Einen Aspekt möchte ich aber anmerken. Und dazu nehme ich die Möglichkeit, mit dem Zug zu reisen mit auf. Denn wenn alle sich mit dem Auto auf dem Weg machen würden, bräuchten wir mehr als nur zweispurige Autobahnen. Weil dann eine nicht zu unterschätzende Zahl an Autos zu Hauptreisezeiten (und nicht nur dann) unterwegs wären, was die Reisezeit und die Reise an sich zu einem nicht so großen Vergnügen machen würde. ;-)

    AntwortenLöschen
  2. Vollkommen richtige Anmerkung.
    Meine Ausführungen beziehen sich v.a. auf meine persönliche Entscheidung, welches Verkehrmittel ich nutze.
    Etwas kurz ist dabei die Aussage gekommen, dass ich das ganze etwas anders anpacken muss, wenn ich tatsächlich eine Art Verkehrkonzept nicht nur für mich persönlich, sondern für "viele" Menschen aufstellen wöllte. Das ist jedoch an dieser Stelle nicht mein Ziel.

    Ich finde es auch schade, dass die Bahn in Sachen Preis-Leistung und Zuverlässigkeit so eine m.E. schlechte Alternative ist. Zum Teil kostet mich eine Bahnfahrt auf meinen typischen Strecken mehr als doppelt soviel Zeit wie eine Fahrt mit dem Auto und das Ticket ist teurer als der Diesel den ich allein im Auto, ohne Mitfahrer, dabei verbrauche. Das ist für mich eine abschreckende Bilanz. Ansonsten finde ich Bahnreisen eigentlich ganz nett und entspannend ;-)

    AntwortenLöschen
  3. Für das innereuropäische Bahnfahren ist aber nicht die Deutsche Bahn selbst und ausschließlich verantwortlich. Aber ich bin vielleicht die Falsche, hier rumzukritteln, bin ich doch eine innereuropäische Fliegerin, die aber am Ziel dann gerne Bus oder Bahn fährt. (Sie würde sogar zum Ziel mit der Bahn fahren, aber.. die ist einfach viel zu teuer)

    AntwortenLöschen
  4. Hallo inchtomania,
    du darfst hier sehr gern "rumkritteln", denn auch dafür ist ein blog ja da. Ich muss auch ehrlich zugeben, das meine bahnerfahrungen außerhalb Dtl recht begrenzt sind. Vielleicht müsste ich da klarer abgrenzen. Wie düsteregrenze schon festgestellt hat, würde ohne Bahn- und Flugverkehr der Pkw-verkehr wahrscheinlich kollabieren (und z.T. umgekehrt).
    Mir geht es an der Stelle aber darum, nur für mich persönlich aus den vorhandenen Möglichkeiten auszuwählen und meine Entscheidung mit einigermaßen stichhaltigen Zahlen statt meiner bloßen Meinung zu untermauern. Damit will ich aber niemanden überzeugen (außer vielleicht mich selber) und wie die Zahlen und die Diskussion zeigen ist das auch nicht notwendig und sinnvoll.
    Allerdings weiß ich jetzt, wo ich mich mit meiner bevorzugten Art zu reisen einzuordnen habe (und stelle nebenbei fest, das ich mit 3 Mitfahrern sogar mit der bahn auf Augenhöhe bin). Letzten Endes zeigt sich aber, das die Entscheidung für ein bestimmtes Verkehrsmittel getrost nach persönlichen Vorlieben und praktischem Nutzen getroffen werden kann.

    AntwortenLöschen
  5. Hi,

    der wesentlichste Punkt dürften aber wohl die "Kosten" sein... selbst für "Billig-Inlandsflüge" (z.B. Rian-Air) muss einiges Geblecht werden, da diese Anbieter für sämtliche "Annehmlichkeiten / Selbstverständlichkeiten" einen Zuschlag berechnen.

    Für "Otto-Normal-Verbraucher" erübrigt sich somit das Thema "Innlandsflug" von vorne herein.

    Als Alternative bleibt die "Bahn", welche oftmals viel zu unflexibel und "zeitraubend" ist (sage ich aus eigener Erfahrung)...

    ... somit bleibt für den "Normalsterblichen" vorzugsweise trotzdem das eigene "Auto", egal, wie die dementsprechende Öko-Bilanz aussehen mag.

    Mit freundlichen Grüßen

    highwayfloh

    AntwortenLöschen
  6. Die Kosten (und v.a. die Ansichten über die Kosten sind das lustige an dieser Überlegung).
    Die Bahn fällt für mich hier in Dtl. schon mal aus, weil ich auf den meisten Strecken die ich bisher recherchiert habe, den benötigten Diesel locker vom Preis der entsprechenden Fahrkarte bezahlen konnte (freilich sind da alle laufenden Kosten des Autos vernachlässigt).
    Zum Thema Flugzeug haben mich schon einige Bekannte verwundert gefragt, warum ich denn nicht mal eben schnell den Billigflieger nehme ;-) So unterschiedlich ist die Sichtweise darauf.
    Und das schöne ist wie gesagt, dass das Auto gar nicht so schlecht dasteht.

    AntwortenLöschen